Dein Körper versucht dich zu schützen. Denke immer daran und definiere deine Geschichte als heroisch um, nicht als Opfer. Du bist hier und kannst den Text lesen. Damit hast du alles richtig gemacht, denn du hast überlebt. Jetzt ist die Zeit mit deinem Trauma innerlich zu wachsen.
Entscheidung
Wie man sich leicht vorstellen kann, hat unser physiologischer Zustand Einfluss auf unsere Reaktionen. Unser Körper evaluiert Informationen von innen und außen und prüft, ob ein Risiko besteht. Er trifft dann eine Entscheidung, ob die Situation sicher ist, wir also über Augenkontakt im sozialen Miteinander agieren, eine Gefahr besteht und wir unser Abwehrsystem über Kampf oder Flucht aktivieren oder lebensbedrohlich ist und wir runterfahren und erstarren. Dies ist keine bewusste Strategie.
Die vagale Bremse
Die Herz-Gesicht-Verbindung ist eine wichtige Komponente für das soziale Engagement System (SES). Gefahr und Krankheit wirken sich aufs Gesicht aus. Dieses wirkt dann nicht beruhigend und entfernt damit die vagale Bremse des Herzens, was die Abwehrmechanismen aktiviert.
Wenn wir gut reguliert sind und wenig Aktivität haben wie beim Sitzen, schaltet sich die vagale Bremse des Herzens ein. Stehen wir auf und bewegen uns, so wird diese Bremse abgeschaltet, bis wir wieder zur Ruhe kommen. Haben wir keine vagale Bremse, wird der Sympathikus aktiv und bringt uns in den Kampf-/Fluchtmodus. So hat man zum Beispiel Paare auf dem Laufband Konflikte austragen lassen. Durch die Aktivität wurde die soziale Komponente entfernt und die Paare konnten keine Konflikte lösen, da der Körper sie in einen Kampf-/Fluchtmodus gebracht hat.
Die Verbündeten
Der Vagus ist der zehnte Hirnnerv. Er ist einer von zwölf Nerven, die direkt aus einer spezialisierten Nervenzellansammlung entspringen. Mit vier weiteren Hirnnerven arbeitet er eng zusammen.
Sensorische Nerven
Die Hirnnerven V und VII geben uns wichtige sensorische Informationen. Der erste heißt Nervus trigeminus und teilt sich in drei große Äste, die Stirn, Ober- und Unterkiefer innervieren. Es werden neben Augenmuskeln und Tränendrüse noch die Kaumuskulatur und die Spannmuskeln des Trommelfells (und damit auf den losgelösten Mittelohrknochen) und des weichen Gaumens angeregt.
Der Hirnnerv VII heißt Nervus facialis. Er versorgt die mimische Muskulatur, den Geschmackssinn und ist für die Speichelsekretion zuständig.
Nucleus ambiguus
Der Vagus entspringt zusammen mit den Hirnnerven IX und XI einem viszeromotorischen Hirnnervenkern, dem Nucleus ambiguus. Der neunte Nerv sorgt für die Atemregulation über Rezeptoren des Sauerstoff-/Kohlendioxidpartikeldrucks. Zusätzlich regt er motorisch die Rachenmuskulatur an. Der Hirnnerv XI versorgt zum einen die Kehlkopfmuskulatur, sowie zwei wichtige Muskeln um den Kopf zu drehen, also um uns u.a. bei Gefahr zu orientieren. Diese Muskeln sind der Musculus sternocleidomastoideus und den Musculus trapezius.
Auswirkungen
Bei Menschen mit komplexen Traumata oder langanhaltenden traumatischen Erfahrungen kann also neben Verdauungs- und Herz-/Kreislaufproblemen sogar die Fähigkeit das Atmen und Schlucken zu koordinieren, beeinträchtig sein. Außerdem können traumatisierte Menschen oft das gesprochene Worte von den Hintergrundgeräuschen schlecht herausfiltern. Dadurch wird es für sie meistens sehr anstrengend bis unmöglich einem Gespräch in einer Gaststätte zu folgen. Verursacht wird es vom Tonus der Muskeln, die die Mittelohrknochen spannen. Die Spannung bestimmt, ob wir besser hohe oder tiefe Töne hören können. Diese Möglichkeit der Spannung und Entspannung ist häufig stark eingeschränkt nach traumatischen Ereignissen.
Losgelöste Mittelohrknochen
Losgelöste Mittelohrknochen unterscheiden Säugetieren von Reptilien. Diese Knochen ermöglichen eine Kommunikation über verschiedene Frequenzen. Angst/Gefahr kommunizieren wir mit einer hohen Frequenz. Diese hohen Töne sind nicht hörbar für Reptilien ohne losgelösten Mittelohrknochen. Bei einem tiefen Grollen laufen wir eher weg, da es die Geräusche von unseren Fressfeinden sind.
Portale
Es gibt verschiedene Portale in unser Nervensystem wie soziale Interaktion, Gesichtsausdrücke, Vokalisation und Zuhören. Was können wir machen?
So wie ein Trauma über das polyvagale System die Beweglichkeit unserer Mittelohrknochen beeinflusst, können wir über das Zuhören die Muskelspannung der Mittelohrknochen modulieren und somit das Nervensystem beeinflussen. Beim Singen werden die Atmung und das Zuhören integriert. So haben auch soziale Interaktion im Blickkontakt und das Spielen von Blasinstrumenten (kurz einatmen und ganz langsam ausatmen) haben einen positiven Einfluss auf Vagalsystem.