Wir alle fühlen uns mal einsam. Das kann sein, wenn wir alleine eine Mahlzeit einnehmen oder in eine fremde Stadt ziehen oder wenn jemanden treffen wollen und niemand für uns Zeit hat. Das Gefühl der Einsamkeit ist in den letzten Jahren für viele Menschen chronisch geworden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hier in Deutschland sieht Einsamkeit als großes Problem. Obwohl wir in einem Zeitalter der digitalen Vernetzung leben, fühlen sich sehr viele isoliert.
Einsamkeit ist ein sozialer Schmerz
Alleine zu sein und einsam zu sein, sind zwei unterschiedliche Dinge. Du kannst alleine und trotzdem glücklich und zufrieden sein. Einsamkeit ist subjektiv. Du bist einsam, wenn du dich einsam fühlst. Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass nur Menschen einsam sind, die sozial nicht kompetent sind. Einsamkeit kann jeden treffen. Weder Geld noch Schönheit oder Ruhm können dich vor Einsamkeit schützen wie wir es bei einigen berühmten Stars mitbekommen haben. Einsamkeit ist ein Signal deines Körpers wie der Hunger. Hunger bedeutet, dass du deinem Körper Nahrung zuführen musst. Einsamkeit macht dich auf deine sozialen Bedürfnisse aufmerksam. Deinem Körper sind deine sozialen Bedürfnisse wichtig, weil sie vor einigen Jahrtausenden und Jahrhunderten ein guter Hinweis für deine Überlebenschancen waren.
Die soziale Entwicklung
Wir lebten meistens ein ganzes Leben lang in der gleichen überschaubaren Gruppe. Um dies zu ermöglichen wurden wir immer empfänglicher für die Gedanken und Gefühle anderer Menschen. Das soziale Wesen wurde Teil unserer Natur. Es war so gut wie unmöglich alleine für Wärme, Nahrung und den Nachwuchs zu sorgen. Das Leben in der Sippe, im Stamm bedeutete Überleben, alleine sein dagegen den sicheren Tod. Es war also unerlässlich, sich mit den anderen gut zu verstehen.
Für unsere Vorfahren war nicht etwa das Raubtier die größte Gefahr, sondern ausgestoßen zu werden, weil sie nicht in die Gruppe passen. Unser Körper erfand den sozialen Schmerz, um das zu vermeiden. Dieser Schmerz und die Scham ist die Antwort der Evolution auf Zurückweisung. Ein Frühwarnsystem, dass uns vom isolierenden Verhalten abhalten soll. Leider wurde heute bei vielen in der Erziehung das Tun mit der Person gleichgesetzt. Daraus ist dann eine sehr ungesunde und unberechtigte Scham für mich als Person entstanden. JedeR von uns ist als Mensch okay! Unsere Handlungen und Aussagen passen nicht immer in die Gesellschaft, in der wir uns befinden. Dann muss ich entweder mein Handeln ändern oder mir eine andere Gruppe suchen. Du als Erwachsener hast heute die freie Wahl.
Unserer Vorfahren hatten seltener die Wahl. Daher passten sie mit größerer Wahrscheinlichkeit ihr Verhalten an, damit sie nicht von der Gruppe verstoßen wurden. Die Menschen, die von der Gruppe ausgeschlossen wurden, starben häufig. Deshalb sind Zurückweisungen und vor allem Einsamkeit so schmerzhaft. Diese Mechanismen haben für den größten Teil unserer Geschichte prima funktioniert, bis die Menschen sich eine ganz neue Welt aufgebaut haben.
Die Schattenseite der modernen Welt
In der Renaissance fing es an, dass die westliche Welt das Individuum mehr in den Mittelpunkt stellte. Der Trend wurde in der industriellen Revolution noch beschleunigt. Die Menschen verließen ihre Höfe und Dörfer, um in Fabriken zu arbeiten. So wurden Gemeinschaften, die es schon hunderte von Jahren gab, aufgelöst und die Städte wuchsen. In den letzten Jahren hat das Tempo der Vereinzelung mit der Modernisierung und Digitalisierung noch zugenommen. Heute ziehen wir an weit entfernte Orte für Jobs, die Liebe und eine Ausbildung. Dafür lassen wir unsere sozialen Kontakte zurück. Wir treffen uns mit weniger Menschen und das auch noch seltener als früher. Meistens entsteht chronische Einsamkeit ganz langsam. Man wird älter und hat neben Arbeit, Uni, Beziehung, Familie und Fernsehen keine Zeit mehr für etwas anderes. Freunden abzusagen, ist dann oft die einfachste und schnellste Möglichkeit, Zeit zu sparen. Das geht solange bis man eines Tages aufwacht und sich isoliert fühlt. Auf einmal sehnt man sich nach engen Beziehungen. Allerdings wird es als Erwachsener schwieriger, Beziehungen aufzubauen. Dann kann Einsamkeit chronisch werden. Wir denken, wir wären mit unseren Smartphones und Mondlandungen so weit gekommen, aber unser Körper und Geist haben sich seit 50 Tausend Jahren kaum verändert. Wir sind biologisch immer noch auf Gemeinschaft gepolt.
Was kannst du dagegen tun?
Ein anfängliches Gefühl der Isolation kann zu Anspannung und Traurigkeit führen. Dadurch fokussiert sich deine Wahrnehmung auf negative Interaktiven mit anderen. Dies führt dazu, dass deine Meinung über dich selbst und anderen schlechter wird. Dann verändert sich dein Verhalten. Du fängst an, soziale Interaktionen zu meiden. Das fördert wiederum die Isolationsgefühle. So kannst du in eine Spirale der Einsamkeit und Isolation kommen. Es wird mit jedem Mal schwerer, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Schließlich wird die echte Welt so, wie du dich im Innern fühlst. Das passiert meistens ganz langsam, kann Jahre dauern und in einer Depression enden, die dich komplett daran hindert, soziale Bindungen aufzubauen, auch wenn du es dir wünscht. Der erste Schritt, denn du tun kannst, ist, zu akzeptieren, dass Einsamkeit ein völlig normales Gefühl ist, für das man sich nicht schämen muss. Jeder fühlt sich mal einsam. Es gehört einfach zum Menschsein dazu.
Natürlich sind jeder Mensch und jede Situation anders. Manchmal reicht Selbstreflektion nicht aus. Wenn es dir schwerfällt, dann versuche professionelle Hilfe anzunehmen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern mutig.
Ich helfe dir gerne.